Geschichten


Erinnerung an die "Gute alte Zeit", als es noch Elbetritschlis zu jagen gab

 

Wenn ein Rheinschiff zwischen Mannheim und Basel Nachtruhe hält, so kommt bei der Mann­schaft gelegentlich der Wunsch auf, Elbetritschlis zu jagen. Hier am Oberrhein sind die Dörfer weit vom Fluss entfernt.

 

Pappeln und Erlen prägen die Landschaft. In diesen Wäldern lebt das Elbetritschli. Das Tier gleicht einem Kaninchen, vielleicht ist es ein wenig kleiner. Jedoch ein besonderes Merkmal be­sitzt es: Das famose Elbetritschli existiert gar nicht.

 

Das Tier ist ganz einfach zu jagen, erklärt der Matrose seinem Schiffsjungen. In Erwartung auf ein Abenteuer und auf frisches Fleisch für die Bordküche geht die Mannschaft also an Land. Der Junge erhält den Auftrag, sich einige hundert Meter vom Schiff entfernt hinzusetzen und eine brennende Petrollampe zu beobachten. Wenn Elbetritschlis erscheinen, so sind diese, weil durch das Licht geblendet, sehr einfach mit einem Knüppel zu erlegen und in den mitgenommenen Sack zu stecken. Die Aufgabe der Matrosen wird sein, die Elbetritschli zu der Lampe hin zu trei­ben.

 

Alle Jäger wissen nun, was zu tun ist, und die Matrosen entfernen sich für etwa eine halbe Stunde. Dann, mit viel Gebrüll springen sie aus dem Dunkeln auf die Lampe zu, schimpfen böse mit dem Schiffsjungen, weil er die Elbetritschlis verfehlt hat. Mit eindringlichen Worten erhält er erneut die Order, besser aufzupassen und ja nicht einzuschlafen. Und jetzt brauche es eben mehr Zeit, um andere Elbetritschlis zur Lampe zu treiben.

 

Sodann gehen die Matrosen an Bord und legen sich schlafen. Im Verlaufe der Nacht wird beim Schiffsjungen Zweifel aufkommen an der ehrlichen Absicht der Jagd. Wenn er jetzt bloss wüsste, wo seine Matrosen stecken. Schlafen sie etwa in ihren Betten, oder treiben sie immer noch Elbe­tritschlis? Da kommt ihm eine Idee. Er hat sich einfach zu überzeugen, ob die Schuhe der Matrosen ausserhalb der Wohnung stehen, denn es ist ein ungeschriebenes Gesetz, dass niemand auf einem Schiff die Wohnräume beschuht betritt. Also schleicht sich der Schiffsjunge schnell an Deck - und einen Moment später eilt er zurück zu seiner Lampe. Keine Schuhe vor der Türe, also müssen die Matrosen immer noch am Jagen sein!

 

Ein neuer Tag beginnt, das Schiff hat seine Fahrt fortzusetzen. Die Matrosen ziehen ihre ver­steckten Schuhe an und holen den Schiffsjungen an Bord, der immer noch die Lampe bewacht, versehen mit Sack und Knüppel. Enttäuscht und ernüchtert über den Ausgang dieser Elbetrit­schlijagd folgt nach einer schlaflosen Nacht der Schiffsjunge seinen Matrosen an Bord.

 

Wohl wahr, die Jagd auf Elbetritschlis mit einem 16-jährigen Greenhorn ist nicht gerade ein faires Spiel. Aber ich glaube, in drei Jahren wird aus dem Schiffsjungen auch ein Matrose und dieser wird eines Tages erneut Elbetritschlis jagen gehen mit einem anderen Schiffsjungen.

 

G. Streuli

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Mit freundlicher Genehmigung des Autors Gottfried Streuli in die Geschichtensammlung des Vereins Historische Binnenschifffahrt übernommen.

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Mit freundlicher Genehmigung von Klaus Hammer, Erbe des Autors, Peter Dietrich , in die Geschichtensammlung des Vereins Historische Binnenschifffahrt übernommen.

Containerreise 2004
Seereise London Express (Bericht aus Long Beach) von Peter Dietrich
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